2009-05-27

2008-04-10 BürgerEingabe

BürgerEingabe an die Stadt Aachen vom 10.04.2008
(Teil 1)

Stadt Aachen
Planungsamt
52058 Aachen

Bürgeranhörung Planung Hochschulerweiterung Melaten/Seffenter Weg

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte hiermit für die weitere Planung anregen, Belange des Natur- und Landschaftsschutzes stärker zu berücksichtigen, da einerseits das Plangebiet und sein Umfeld in dieser Hinsicht eine sehr herausragende Bedeutung für Aachen hat und andererseits der Sieger-Entwurf des städtebaulichen Wettbewerbes einseitig eine sehr massive bauliche Verdichtung und Ausdehnung zu bevorzugen scheint. Im Einzelnen bitte ich, folgende Gesichtspunkte näher zu prüfen und in die Planung einzubeziehen:

Landschaftsbild:
Das Klinikum präsentiert sich heute in einmaliger Weise als Solitär zur freien unverbauten Landschaft hin. Der Wilkensberg mit seinem geschlossenen Gehölzsaum im oberen Bereich steht dem als ebenbürtiges und ausgleichendes Landschaftselement gegenüber, sodass sich zwischen Klinikum und Wilkensberg eines der attraktivsten Aachener Landschaftsszenerien öffnet. Eine Bebauung des Wilkensberg-Plateaus, die über den genannten Gehölzsaum hinweg weit aus dem Landschaftsraum (z.B. vom Schneeberg aus) sichtbar wird, würde diese heutige Situation völlig zu Ungunsten des Landschaftsbildes verändern. Da die Kuppen des Hochplateaus (220 m NN) deutlich höher liegen als der im Hang liegende Gehölzsaum (z.T. nur 210 m NN) und dieser im Winter auch ziemlich transparent ist, ist für die geplante Bebauung ein deutlich größerer Abstand vom Rand des Hochplateaus zu empfehlen.
Der Gehölzsaum auf dem oberen Wilkensberg liegt für eine Eingrünung eines so großen Baugebietes nicht nur zu tief, sondern ist auch viel zu schmal. Er müsste wenigstens bis ganz oben zu den genannten Kuppen und bis zur eigentlichen Hangschulter (erkennbar an den Höhenlinien, vgl. beiliegende Karte: "angemessene zusätzliche Eingrünung") erweitert werden, also mindestens auf die doppelte Breite auf der gesamten Länge. Im FNP-Entwurf wird aber weitgehend nur der bestehende Gehölzsaum als Grünfläche dargestellt.
Im Norden ist das Hochplateau heute sogar noch völlig offen. Hier müsste eine entsprechende Eingrünung erst neu geschaffen werden, ist aber leider bisher überhaupt nicht vorgesehen. Damit würde der historische Raum um Seffent, der heute durch die topographische Lage völlig geschützt, abgeschieden und landschaftlich geprägt ist, durch die Gebäudesilhouetten auf der Bergkuppe extrem gestört. Hier müsste dringend innerhalb des Plangebietes auch eine dem Bauvolumen angemessene Grünflächenplanung mit deutlichem Anteil neuer Grünflächen erfolgen!
Die Berücksichtigung von gerade einmal zwei ohnehin vorhandenen Strukturen (o.g. Gehölzsaum und eine innere Grünfläche) im FNP-Entwurf ist zur landschaftlichen Einbindung des Hochschulerweiterungsgeländes völlig unzureichend und unangemessen. Die beabsichtigte Einschränkung der Höhenentwicklung der Gebäude auf 3,5 m bzw. 7 m in einem 45 m breiten Randstreifen im Westen (und Norden und Süden?!) kann die vorgeschlagene Zurücknahme der äußeren Bebauungsgrenze bis zur tatsächlichen topografischen Hangschulter nicht ersetzen. Sie bleibt aber richtig und ist entsprechend verschoben beizubehalten!

Naturschutzgebiet Wilkensberg:
Das Naturschutzgebiet mit seinen Trockenrasen und absolut einzigartigen Pflanzenbeständen ist sehr empfindlich und daher zu Recht eingezäunt. Daher muss es eine wirkungsvolle Abschirmung zum geplanten Baugebiet geben. Alle Tendenzen, verbindende Strukturen herzustellen, wie sie im Sieger-Entwurf durch den Gehölzgürtel hindurch angedeutet sind, müssen strikt unterbleiben. Für das Naherholungsbedürfnis der künftigen Nutzer (z.B. sonnige Liegewiesen und abwechslungsreiche Spazierwege) ist ausschließlich innerhalb des Baugebietes durch neue Grünflächen z.B. in Anlehnung an die zentral gelegenen Grünstrukturen und die o.g. Erweiterung der äußeren Eingrünung zu sorgen. Das Naturschutzgebiet kann solche Funktionen nicht erfüllen. Vielmehr wird das Naturschutzgebiet einer deutlichen Vergrößerung bedürfen, um die Störwirkungen, die von dem Hochschulerweiterungsgebiet in jedem Fall ausgehen werden, kompensieren zu können.
Konkret schlage ich eine Erweiterung um den bereits bestehenden Gehölzsaum oberhalb des Wilkensberges, sowie die im FNP als Flächen für die Landwirtschaft dargestellten Bereiche, aber vor allem auch die weiteren Hangflächen zwischen dem Gut Melaten und den Physikinstituten vor. Künftige Grenze des NSG sollte die Sommerfeldstraße sein (vgl. beiliegende Karte: "Erweiterung NSG"), die tatsächlich (nur) ein (äußerst attraktiver) Fußweg mit spektakulärem Blick über das Tal auf das Klinikum und bis zum Dreiländereck ist. Für die Schutzbedürftigkeit dieser Flächen gibt es u.a. auch geologische Gründe (s.u.). Weitere Entwicklungspotentiale für das Naturschutzgebiet liegen nördlich des Plangebietes sowie weiter entlang der Wildbachaue bis an den Siedlungsrand von Laurensberg (bis zum ehemaligen Sportplatz).
Wenn eine derart massive neue städtebauliche Struktur wie das Hochschulerweiterungsgelände so nah an ein vergleichsweise sehr kleines, aber extrem hochwertiges und stadtbekanntes Naturschutzgebiet (7-Quellen!) herangebracht wird, muss dringend gleichzeitig ein großzügiger Entwicklungsplan für das Naturschutzgebiet aufgestellt werden, der der neuen Situation gerecht wird! Ein dabei zu untersuchendes Detail müsste auch die künftige Störwirkung durch Licht sein. Viele Tierarten, wie z.B. einige in den Trockenrasen vorkommende sehr seltene Nachtschmetterlinge, werden durch Lichtquellen aus ihren Biotopen herausgelockt und sind dadurch existentiell gefährdet. Auch aus diesem Grund wäre ein breiterer landschaftlicher Pufferstreifen (ggf. mit künstlicher Überhöhung, s.u.) zwischen Naturschutz- und Baugebiet geboten.

Kreidemergelböden:
Das Plangebiet liegt inmitten des landesweit (!) einzigen Vorkommens von Kreidemergelböden, die sich von hier bis zum Schneeberg erstrecken. Dies wird nicht einmal in der vorliegenden Karte der Schutzwürdigkeit der Böden dargelegt. Hier scheint vielmehr die landwirtschaftliche Nutzungsfähigkeit der wesentliche Maßstab zu sein. Gerade die dort grün gekennzeichneten Flächen ("kein Schutzstatus") weisen aus landschaftsökologischer Sicht aber die wichtigsten Bereiche auf: Die bereits erwähnten Kuppen auf der Hochfläche und die Hänge zwischen Gut Melaten und den Physikinstituten weisen stellenweise oberflächennah anstehende Kalksteingeröllanteile auf. Diese extrem seltenen Kreidemergelböden bieten besondere Lebensraumverhältnisse hinsichtlich Bodeneigenschaften (verfügbarer Kalk) und Mikroklima (Wärme und Trockenheit in südexponierten Lagen).
Beispielsweise habe ich im Bereich des Wiesenhanges unterhalb der Physikinstitute die Große Turmschnecke (Zebrina detrita) gefunden, die nach einer Veröffentlichung der ehemaligen Landesanstalt für Ökologie "in NRW vermutlich ausgestorben ist" (KOBIALKA 2004: Arbeitskreis zur Kartierung und zum Schutz der Mollusken in NRW, LÖBF-Mitteilungen, Heft 2/04 S. 52-53). Im heute bereits bestehenden Hochschulerweiterungsgelände gibt es auf gleichen Böden als weiteres Beispiel noch die (scheinbar) Blattlose Platterbse (Lathyrus aphaca), die weit über den Aachener Raum hinaus hier ihre einzigen und letzten Vorkommen hat. Im Verbreitungsatlas der Pflanzen NRWs (HAEUPLER, JAGEL & SCHUMACHER 2003) gilt sie in Aachen bereits als verschollen, sie ist aber im Bereich künftiger Baugrundstücke noch vorhanden (nicht jedoch innerhalb der Schutzgebiete).
Die Kreidemergelböden und ihre spezielle Tier- und Pflanzenwelt müssten daher im Rahmen der Planung dringend genauer untersucht und in ihrer überregionalen Bedeutung gewürdigt werden. Eine partielle Erhaltung wichtiger Flächen (o.g. Kuppen und südliche Hänge im Plangebiet) wäre im Rahmen der o.g. Erweiterung der äußeren Eingrünung möglich! Außerdem bietet es sich an, aus künftigen Baugruben anfallendes Kreidemergelhaltiges Bodenmaterial gezielt zur Anlage und Verbesserung von solchen Biotopstrukturen außerhalb des Plangebietes einzusetzen und damit eine echte "Schutzgut-spezifische" Kompensation zu ermöglichen, die dem besonderen Standortcharakter entspricht. Denkbar wäre vielleicht sogar die Aufschüttung einer künstlichen Überhöhung am Rand des Baugebietes oberhalb des Wilkensberges, um Licht- und Lärmemissionen zum Naturschutzgebiet und zum Tal hin wirkungsvoll zu unterbinden.

Geplante südliche Straße:
Das Verkehrskonzept sieht eine südliche Straßenanbindung vor, die den bisher völlig verkehrsberuhigten Talraum rund um das Gut Melaten stark beeinträchtigen würde und daher keinesfalls weiter verfolgt werden sollte. Der Bereich zwischen Klinikum, Gut Melaten, den Physikinstituten und dem Naturschutzgebiet sollte auch künftig ein dem Fußgänger und Radfahrer vorbehaltener Freiraum ohne Verkehrslärm ect. bleiben. Außerdem durchschneidet die geplante Straße die o.g. Fläche, die aus Gründen des Landschaftsbildes und der Erhaltung ökologisch bedeutsamer Kreidemergelböden der Erweiterung des Naturschutzgebietes vorbehalten bleiben sollte. Das Hochschulerweiterungsgebiet lässt sich problemlos durch die Schließung einer inneren Erschließungsschleife ausschließlich von Norden über die vorhandene Anschlussstelle des Pariser Ringes sowie über die ohnehin schon parallel zum Ring verlaufende Straße mit lokaler Verteilerfunktion erreichen. Mögliche Auswirkungen der geplanten Straße in Richtung Klinikum werden im Folgenden angesprochen.

Klima:
Das offene Hochplateau im Plangebiet ist ein lehrbuchhafter Kaltluft-Entstehungsort. Die Kaltluft fließt von hier nachts entlang der Wilkensberghänge talwärts ab. In dieser Richtung liegen die Lüftungsschächte des Klinikums, die offenbar nicht zufällig die Frischluft auf der zur Freien Landschaft hin orientierten Nordseite ansaugen. Möglicherweise gibt es also hier bei schwülen Wetterlagen eine günstige Auswirkung des Hochplateaus, die durch Bebauung verloren geht. In jedem Fall ist es ungünstig, wenn durch die geplante südliche Straßenerschließung künftig Verkehrsemissionen hangabwärts Richtung Klinikum abströmen könnten. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass die ehemalige Straße auf der Nordseite des Klinikums abgebunden wurde und heute als Sackgasse kaum Verkehr aufweist. Künftig würde durch die geplante südliche Straßenanbindung dann doch irgendwann eine neue Straßenverbindung zum wenige Meter entfernten Ende dieser Sackgasse hin provoziert und damit dann erheblicher Verkehr in diesen Raum nördlich des Klinikums getragen. Dies sollte schon im Ansatz durch Verzicht auf die südliche Straßenanbindung unterbunden werden, um die gute klimatische Situation im Talraum nördlich des Klinikums zu erhalten.

Ökologische Kompensation:
Die Planung betrifft und tangiert ökologisch sehr hochwertige Bereiche. Die Ackerflächen haben wegen der besonderen Böden (s.o.) ungewöhnliche Biotop-qualitäten und die Bebauung hätte zumindest ohne Berücksichtigung der o.g. Rücknahme der Baugrenzen eine sehr weit in den Landschaftsraum wirkende Störung des Landschaftsbildes zur Folge. Daraus ergibt sich erheblicher landschaftsökologischer Kompensationsbedarf. Dieser sollte primär durch drastische und großflächige Erweiterungen und Verbesserungen im Bereich der Naturschutzgebiete Wilkensberg, Schneeberg und Orsbacher Wald erfolgen, wo ähnliche Bodenverhältnisse auf benachbarten, bisher intensiv land- oder forstwirtschaftlichen genutzten Flächen bestehen.
Insbesondere das Naturschutzgebiet Schneeberg ist heute gemessen an seiner früheren ökologischen Bedeutung geradezu in einem erbärmlichen Zustand. Die ehemaligen Orchideen-reichen Trockenrasensäume sind fast völlig verschwunden. Was für spektakuläre Biotope hier und in manchen südexponierten Hanglagen um Orsbach entwickelt werden könnten, ist im Umfeld des Orchideen-"Gartens" (orchideeen-tuin) Gerendal bei Valkenburg (NL) zu besichtigen. Hier liegen erhebliche, völlig brach liegende Potentiale für eine ökologische Entwicklung von landesweiter Bedeutung!

Zusammenfassendes Fazit:
Der erheblichen städtebaulichen Erweiterung des Hochschulerweiterungsgebietes steht bisher überhaupt kein angemessenes landschaftliches Konzept gegenüber, obwohl hier ein sehr großes Konfliktpotential besteht. Durch deutliche Rücknahme der Bauflächen am Plateaurand oberhalb des Wilkensberges um 30-50 m und Beibehaltung der Höhenbegrenzungen könnte aber zumindest die weiträumig störende Wirkung im Landschaftsbild (vor allem im Winter bei unbelaubter Eingrünung sowie nachts bei Beleuchtung) gemildert werden. Das benachbarte Naturschutzgebiet Wilkensberg ist in seiner heutigen, auf schmale Kernflächen beschränkten Ausdehnung nicht auf die künftige Nachbarschaft einer städtebaulichen Großstruktur vorbereitet. Es ist vielmehr deutlich um weitere Kern-, vor allem aber Pufferflächen zu erweitern. Insbesondere betrifft das eine südexponierte Hangfläche zwischen Gut Melaten und den Physikinstituten bis zur heutigen Sommerfeld-"Straße" (attraktiver Fußweg). Aus diesen und anderen Gründen ist eine verkehrliche Erschließung des Plangebietes von Süden strikt zu vermeiden. Auch die Betroffenheit der landesweit einzigartigen Kreidemergelböden im Plangebiet (und nicht nur deren landwirtschaftlicher Wert) ist stärker zu beachten.

Mit freundlichen Grüßen

siehe: Skizze Naturschutzgebiet Rabental

# zugesandt von: astettien@t-online.de

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FNP = FlächenNutzungsPlan
NSG = NaturSchutzGebiet

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